Für Deutschlands Händler ist die Zukunft digital: Produkte aus dem 3D-Drucker, automatisches Bezahlen beim Verlassen des Ladens und Öffnungszeiten rund um die Uhr. Doch noch hält die Digitalisierung in dieser Branche nur schleppend Einzug.
Nachzügler in Sachen Digitalisierung
So sehen sich 77 Prozent der Händler als Nachzügler in Sachen Digitalisierung. Das zeigt eine repräsentative Umfrage unter mehr als 500 online und stationär tätigen Einzel- und Großhändlern, die der Digitalverband Bitkom in Auftrag gegeben hat. 11 Prozent der Händler haben beispielsweise immer noch keine eigene Homepage. Betrachtet man speziell die Händler, die rein stationär verkaufen, ist es sogar rund jeder Dritte (36 Prozent), der noch keinen Internetauftritt besitzt. Auch in Standard-Verzeichnissen wie Google, Google Maps, Gelbeseiten.de oder werliefertwas.de ist rund jeder Vierte (28 Prozent) noch nicht eingetragen. Einen Auftritt in den sozialen Netzwerken, um im Internet auf ihr Unternehmen und ihr Angebot aufmerksam zu machen, nutzen nur 3 von 10 Händler (30 Prozent).
Mobile Internetseiten wichtiger denn je
„Suchmaschinenpräsenz ist für alle Unternehmen wichtig, auch wenn man nicht online verkauft. Je besser und umfassender online Informationen zur Verfügung gestellt werden, umso wahrscheinlicher ist der Gang des Kunden ins Geschäft beziehungsweise der Klick des Kunden auf die Homepage und den Online-Shop“, so Bitkom-Handelsexpertin Julia Miosga. „Diese einfache Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen und Kunden anzusprechen, sollten Händler nicht unnötig verschenken. Fast jeder ist heute online, auch mobil. Darauf sollten die Händler reagieren und die Kunden genau da abholen, wo es für diese am unkompliziertesten ist.“
Bedienungsanleitung werden virtuell
Augmented Reality, kurz „AR“ und zu deutsch „erweiterte Realität“, beschreibt die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Derzeit werden Bilder oder Videos mit computergenerierten Zusatzinformationen oder virtuellen Objekten mittels Einblendung/Überlagerung erweitert. „Snapchat“ war das erste Social-Media-Netzwerk, das seinen Nutzern ermöglichte Gesichter mit lustigen und 3D-animierten Masken zu verfremden. Die Animationsüberlagerungen sind seit Monaten der Renner. Mit der „Camera Effects Platform“ hat Facebook eine eigene AR-Plattform für 3D-Filter und -Effekte gestartet. Entwickler können über die Facebook-Schnittstellen eine eigene Objekterkennung integrieren und die Objekte bei Nutzung der Facebook-Kamera mit Zusatzinformationen und 3D-Filtern versehen. Auch Apple bereitet diese Nutzungsmöglichkeiten vor und hatte diese bei seiner letzten Entwicklerkonferenz Anfang 2017 in Palo Alto präsentiert. Die neuen AR-Services bieten nicht nur Platz für Spielereien, sondern können echte Mehrwerte in der Kundenkommunikation, bei Akquise und Kundenbindung, schaffen. Der Anwender filmt z. B. das Produkt ab und erhält wichtige Funktionsbeschreibungen, die eine Bedienungsanleitung nur schwer vermitteln kann. IKEA will die Technologie allerdings im ersten Schritt dazu nutzen, Kunden durch Abfilmen ihres Wohnzimmers die realitätsnahe Darstellung der IKEA-Couch einzublenden.
Augmented Reality und kontaktloses Bezahlen
Auch wenn noch längst nicht jeder Händler digitale Basics einsetzt, mit Blick ins Jahr 2030 schätzt sich die Branche sehr fortschrittlich ein: Rund zwei Drittel (65 Prozent) meinen, dass das Bezahlen dann beim Verlassen des Geschäfts automatisch, also ohne lange Schlangen an der Kasse abläuft. 61 Prozent sehen Läden in der Rolle eines Showrooms, in dem Produkte getestet und anschließend im Online-Shop des Händlers bestellt werden können. Mehr als jeder Zweite (53 Prozent) denkt, dass Waren bis dahin im stationären Handel auch über Virtual Reality erlebbar sein werden. 40 Prozent glauben daran, dass der stationäre Handel im Jahr 2030 rund um die Uhr an allen Wochentagen geöffnet haben wird. „Mit Blick in die Zukunft zeigen sich die Händler zwar fortschrittlich. Allerdings gibt es bis dahin noch viel Nachholbedarf“, sagt Miosga. „Der Handel in anderen Ländern ist hier schon deutlich weiter. Was hierzulande noch als Vision gilt, ist andernorts schon Standard.“