21.02.2016

Alter Wein in neuen Schläuchen: Realtime-Marketing fehlt Kreativität

Für die aktuelle Titelstory „Höchste Zeit – Realtime-Marketing ist der Trend der nächsten Dekade“ des Monatsmagazins „absatzwirtschaft. Zeitschrift für Marketing“ schreibt Thomas Stiren.

Von Thomas Stiren, Präsident Marketing Club Trier-Luxemburg · Vorstand rdts AG

Cover absatzwirtschaft

Mit Kreativität und Kundenvertrauen: Guerilla Marketing as it best!

Realtime-Marketing, digitale Transformation und disruptive Technologien – das sind die Buzzwords des Jahres, die derzeit in keinem Fachartikel und in keiner Rede fehlen dürfen. Die Hypebegriffe werden allerdings oft in sehr diffusen Kontexten angewendet und sind nicht mehr als alter Wein in neuen Schläuchen sind. Denn Echtzeit-Marketing gibt es seit Ende der 1990er-Jahre und der radikale Umbau von Geschäftsmodellen und -prozessen hat auch weit vor 2015 begonnen.

Sofortige Targetierung via webbasierter Oberfläche

Das Realtime-Marketing bietet nichts anderes als die Möglichkeit einer sofortigen Targetierung via webbasierter Oberfläche auf Onlinemedien: Beispielsweise können mit Google-Adwords – just-in-time – Textanzeigen-Kampagnen Keyword-optimiert sowie orts- und zeitgenau geschaltet werden – übrigens seit über 10 Jahren. Facebook setzt bei seinen Textanzeigen noch eine Schippe drauf und ermöglicht eine Zielgruppenansprache nach soziodemographischen Kriterien, vorausgesetzt der Nutzer hat sich in seinem Profil mit diesen Daten geoutet. Bei Google sucht der Nutzer ganz konkret nach einem Inhalt oder Produkt, bei Facebook stöbert er durch die Meldungen und Fotogalerien seiner Freunde und Idole. Eine Produktwerbung wird in beiden Medien durch den Nutzer („Suchender“ oder „Stöberer“) anders wahrgenommen.

Ideenreichtum der Onlinemarketer und Vertrauen der Werbetreibenden

Echtzeit-Marketing ist also keine neue oder innovative Onlinemarketing-Gattung, die uns Werbern vor kurzem beschert worden ist, sondern es ermöglicht seit langem schnelles Agieren im Online-Advertising. Hier fehlt es allerdings noch am Ideenreichtum der Onlinemarketer oder dem Vertrauen der Werbetreibenden selber. Oft stehen aber auch Compliances und langatmige juristische Prüfungsprozesse im Wege. Schließlich fällt unter die Prüfung nicht nur die Advertising-Kampagne sondern auch die damit verbundenen Landingpage des Webauftritts. Dabei könnten Unternehmen ihren Kunden via Anzeige zum Geburtstag ein ganz besonderes individualisiertes Angebot unterbreiten, allgemeine tagesaktuelle Ereignisse in Kontext setzen oder Angebote – beispielsweise gültig nur für die nächste Stunde – anpreisen. Mass Customization auf Anzeigenebene par excellence!

Realtime-Marketing wird zum echten viralen Booster

Best practices gibt es zu Genüge. Markenartikler haben erfolgreich gezeigt, Trends, aktuelle Geschehnisse oder aktuelle Ereignisse aufzugreifen und pfiffig zu verpacken: NOKIA, welche kampagnenstark die neuen IPhone-Farben während der Präsentation in Pao Alto kommentierten. OREO, der mit seinem Produktpost anlässlich des Stromausfalls beim Superbowl glänzte. Der Viralitätsfaktor solcher Kampagnen ist unerreicht. Realtime-Marketing im diesem Verständnis wird zum echten viralen Booster.

Die richtige Kampagne zur richtigen Zeit

Der Begriff Realtime-Marketing muss in den richtigen Kontext gesetzt werden und kann nicht als neuer Trend verkauft werden. Onlinemarketing in Echtzeit macht dann Sinn, wenn der Marketer ein Gespür besitzt, die richtigen Themen und Trends in wenigen Minuten in einer kreative Kampagne der targetierten Zielgruppe zu verpacken. Gepaart mit dem Vertrauen des Kunden, diese auch sofort schalten zu dürfen, wird Realtime-Marketing zu einem unschlagbaren Onlinemarketing-Instrument mit einer hohen Viralität. Guerilla Marketing as it best!