Im Schildkrötentempo zur Digitalisierung – Setzen, sechs! So lautete mein Blog-Beitrag vor wenigen Wochen. Meine Kritik: Die Digitalisierung kommt in Deutschland nicht voran. Allen voran läuft die Bundesregierung ihren Zielen hinterher. Nun hat die Bundesregierung völlig überraschend ihre finanzielle Förderung für den Glasfaserausbau vorzeitig eingestellt. – Eines der wichtigsten Projekte für den Wirtschaftsstandort Deutschlands!
Riesen Aufruhr deshalb bei den Bundesländern und der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände: Sie fordern in einem Brandbrief, den Antragsstopp aufzuheben und die neue Förderung am 1.1.2023 unmittelbar an die bestehende Förderung anzuschließen. Die Einrichtungen betonen die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Glasfaserausbaus. Es gehe eine um nachhaltige Zukunftsgestaltung. Weitere Verzögerungen seien nicht hinnehmbar.
Was ist bloß los bei der „Fortschrittsregierung“? Breitbandausbau ist der unabdingbare Standortfaktor geworden. Ein Muss für ein attraktives Wohnumfeld für junge Menschen & Familien und die Ansiedlung und das Halten von Unternehmen. Ein schnelles Internet entscheidet über die Innovationskraft eines Standortes, seiner Lebensqualität und Modernität. Für eine Grundversorgung im E-Government- und Bildungsbereich ist es ebenfalls unabdingbar. Mitarbeiterrekruting, Telemedizin und E-Pflege erfordern eine stabile und redundante Glasfaserversorgung. Das sollte doch jeder Politiker wissen! – Ohne junge Menschen und Familien blutet eine Region aus. Ich hoffe, dass der Brandbrief Gehör bei den Regierenden findet!
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Das Schreiben im Original-Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Staatssekretär,
wir danken Ihnen für den Austausch zur Gigabitstrategie des Bundes vom 18.10.2022. In dieser Sitzung haben Sie allerdings die Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenverbände mit Aussagen zum aktuellen Status und zur künftigen Ausgestaltung des Breitbandförderprogramms überrascht, die im Gegensatz zu den Ergebnissen unserer bisherigen Gespräche zu diesem Thema stehen, den Inhalten der Gigabitstrategie widersprechen und den flächendeckenden Gigabitausbau konterkarieren. Das gilt zuvörderst für die nachfolgend auszuführenden drei Aspekte. Erstens erkennen wir keine ausreichende Finanzierung der Breitbandförderung durch den Bund, nachdem die Haushaltsmittel für 2022 deutlich überzeichnet und für 2023 keine belastbaren Mittel zugesagt sind. Zweitens wurde eine Priorisierung aus guten Gründen in langen Gesprächen zwischen allen Beteiligten bereits ausgeschlossen und darf jetzt nicht durch die Hintertür wieder eingeführt werden. Sie wäre nicht sachgerecht und würde eine bürokratische Verkomplizierung mit sich bringen, die in der konkreten technischen Umsetzung unmöglich ist. Drittens muss der Antragsstopp aufgehoben und die neue Förderung am 1.1.2023 unmittelbar an die bestehende Förderung anschließen. Deshalb müssen schnellstmöglich ausreichende Mittel sowohl für die Fortführung der bisherigen Förderung wie auch des neuen Förderprogramms zur Verfügung gestellt werden. Die bestehende Förderrichtlinie muss daher zunächst verlängert werden. Der Entwurf der Richtlinie für das neue Programm muss den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden unverzüglich vorgelegt werden, damit eine Abstimmung im Förderbeirat erfolgen kann und eine Verabschiedung zur Wahrung der Kontinuität noch in diesem Jahr möglich ist.
In diesem Zusammenhang weisen wir zudem nochmals auch auf die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Glasfaserausbaus hin. Anders als die derzeitigen Entlastungspakete oder die Gaspreisbremse geht es nicht um konsumtive Ausgaben, sondern um nachhaltige Zukunftsgestaltung. Bereits derzeit bestehen hier in Deutschland Defizite. Weitere Verzögerungen sind nicht hinnehmbar.
Aus Sicht der Länder und der kommunalen Spitzenverbände ist es daher dringend erforderlich, erneut und sehr zeitnah in Verhandlungen über das weitere Vorgehen in dem gemeinsam vom Bund, den Ländern und den Kommunen finanzierten Breitbandförderprogramm einzutreten. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir es ausdrücklich, dass Ihr Haus in einem ersten Schritt bereits für nächste Woche zu einer Sitzung des Förderbeirats eingeladen hat.
In dieser Sitzung muss der Bund den Ländern und Kommunen nach der ohne jede Vorankündigung vollzogenen Aufhebung des aktuellen Förderaufrufs eine klare Perspektive für die Abwicklung des bisherigen Förderprogramms bieten. Darüber hinaus erwarten wir vom Bund Aussagen zu folgenden für das künftige Förderprogramm zentralen Punkten:
- Wichtig ist zunächst, dass der Bund – selbstverständlich vorbehaltlich einer Entscheidung durch den Haushaltsgesetzgeber – ausreichende und ggf. mehr als die derzeit geplanten Mittel bereitstellt und die Länder und Kommunen über seine finanziellen Vorstellungen für das Förderprogramm in Kenntnis setzt. Entsprechende Angaben benötigen die Länder nicht zuletzt für die Absicherung ihrer Kofinanzierungsanteile in den jeweiligen Haushaltsplanungen. Auch die Kommunen brauchen die Gewissheit, dass das seit Monaten angekündigte neue Förderprogramm jedenfalls für die Dauer der laufenden Legislaturperiode ausreichend dotiert ist. Anderenfalls droht die Gefahr, dass es unmittelbar mit Beginn der neuen Förderung zu einem Windhundrennen um die dann zur Verfügung stehenden Fördermittel kommt, weil keine Kommune sich dem Vorwurf ihrer Bürger und der Unternehmen vor Ort aussetzen will, bei der Beantragung von Fördergeldern zu lange gewartet zu haben. Ein solcher Kamineffekt wäre fatal, weil er an vielen Stellen zu einem ineffizienten Mitteleinsatz führen würde. Der für die Länder und Kommunen nunmehr überraschend verkündete Förderstopp im laufenden Programm ist geeignet, diesen Effekt zu verstärken. Dem sollte durch verlässliche Aussagen zu einer auskömmlichen Finanzausstattung des neuen Programms entgegengewirkt werden. Hierzu müssen Fördermittelanträge auf Basis einer belastbaren Grundlage (ein durchgeführtes Markterkundungsverfahren) gestellt werden.
- Im Sinne der Gewährleistung von Planungssicherheit und eines geordneten Übergangs vom bisherigen auf das künftige Förderprogramm muss den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden unverzüglich der Entwurf der neuen Förderrichtlinie vorgelegt werden. Nur auf der Grundlage eines solchen Entwurfs ist es möglich, fundiert über die konkrete Ausgestaltung des partnerschaftlich vom Bund sowie den Ländern und Kommunen finanzierten und durchgeführten Förderprogramms zu diskutieren. Dass dieser Entwurf bislang noch nicht vorliegt, ist vor dem Hintergrund des seit langem feststehenden Auslaufens der bisherigen Förderung und des zuletzt mit der Gigabitstrategie bekräftigten Starttermins der neuen Förderung ab dem 1.1.2023 nicht nachvollziehbar. Sollte das neue Förderprogramm nicht zum 1.1.2023 starten, würden damit nicht nur Vertrauen in die Verlässlichkeit von Ankündigungen des Bundes nachhaltig erschüttert, sondern auch das Erreichen des Ausbauziels insgesamt in Frage gestellt.
- Schließlich ist aus Sicht der Länder und der kommunalen Spitzenverbände erneut zu betonen, dass es bei der Vergabe der Fördermittel keiner Priorisierung bedarf. Vielmehr gehen wir – wie es auch in der Gigabitstrategie ausdrücklich heißt – davon aus, dass es unter Berücksichtigung der seitens Ihres Hauses bereits beauftragten Potenzialanalyse als Kompass zu einem effizienten Nebeneinander des eigenwirtschaftlichen sowie des geförderten Ausbaus im Sinne einer natürlichen Priorisierung kommt. Ganz entscheidend war hier das konstruktive und offene Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen in der bisherigen Förderstruktur, zu der sich alle als entscheidendes Erfolgsrezept bekannt haben. Diesen nach unserer bisherigen Wahrnehmung gemeinsam von Bund, den Ländern sowie den kommunalen Spitzenverbänden getragenen Konsens scheint der Bund nunmehr nach Ihren Ausführungen zur „Allokation der Fördermittel“ einseitig aufkündigen zu wollen. Abgesehen davon, dass eine „differenzierende Fördermittelvergabe“, von der in diesem Zusammenhang die Rede war, zu erheblichen und kaum lösbaren bürokratischen Herausforderungen führen würde, ist eine solche Maßnahme aus unserer Sicht auch sachlich nicht zielführend, da sie regional bereits bewährte Ausbaustrategien konterkarieren würde. Insbesondere darf die Tatsache, dass es in den letzten Wochen zu einer verstärkten Inanspruchnahme des bisherigen Förderprogramms gekommen ist, die nicht zuletzt auch durch die Diskussion um die Notwendigkeit einer Priorisierung im Laufe des Jahres verursacht wurde, nicht als Anzeichen einer übergroßen Fördernachfrage nach Beginn der neue Förderperiode interpretiert werden. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Kommunen, die jetzt noch eine Förderung für den Ausbau in hellgrauen Flecken beantragt haben bzw. alle vorbereitenden Maßnahmen hierzu abgeschlossen haben, dies in der Annahme tun, dass die danach noch verbleibenden dunkelgrauen Flecken in den nächsten Jahren eigenwirtschaftlich ausgebaut werden. Von diesen Kommunen sind daher – jedenfalls auf absehbare Zeit – keine weiteren Förderanträge zu erwarten. Umso mehr gilt es hier die entsprechenden Antragstellungen zu ermöglichen sowie Bescheide noch ergehen zu lassen und die dafür erforderlichen Haushaltsmittel durch engagiertes Einbringen in die noch nicht abgeschlossenen Haushaltsaufstellungsverfahren („Bereinigungsverfahren“) bereit zu stellen.
Wir würden es sehr begrüßen, wenn es uns ganz im Sinne des bisherigen partnerschaftlichen Zusammenwirkens von Bund, Ländern und Kommunen in der Breitbandförderung gelänge, zu den angesprochenen Punkten in den nächsten Wochen eine Verständigung zu erzielen.