Der 4. April 2021 wird wohl als historischer Tag in die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und des Internet eingehen. Heute tritt das Gesetz gegen Hass und Hetze im Internet in Kraft. Was viele Nutzer, Diskutanten, Kommentatoren, Influencer, Creatoren sozialer Netzwerke sich gewünscht haben, wird nun Realität. Ab heute gelten deutliche Strafverschärfungen verbunden mit einem höheren Ermittlungsdruck. Auskunftssperren im Melderecht sollen Betroffene vor Hasskriminalität besser schützen. Auch unsere Politiker dürften sich freuen, waren sie doch oft in der Vergangenheit besondere Zielscheibe sozialer Unzufriedenheit. Anpöbeln und Beleidigen waren normal und gehörten zur Tagesordnung. Wird dieses Datum nun das Ende des Cybermobbings und Bashings einleuten?!
Das Ende des Cybermobbings?!
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ist jedenfalls stolz darauf, was ihre Mitarbeiter in Gesetzestexte gegossen haben und der Bundestag ratifiziert hat. Sie ist sich sicher, dass das Gesetzespaket endlich denjenigen Menschen Schutz gibt, die im Netz bedroht und beleidigt werden. Die Wellen des Hasses seien in der Pandemie noch aggressiver geworden, will die Ministerin beobachtet haben. Die Hetze sei zudem oft rechtsextremistisch, rassistisch und frauenfeindlich und sei zu einer ernsten Bedrohung unserer demokratischen Gesellschaft geworden.
Ab jetzt können Polizei und Justiz sehr viel entschiedener gegen menschenverachtende Hetze vorgehen. Mit den neuen Gesetzen erhöht die Ministerin die Abschreckung und den Ermittlungsdruck deutlich. Wer hetzt und droht, muss mit Anklagen und Verurteilungen der Justiz rechnen. Ab sofort drohen bei Beleidigungen im Netz bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Die dauernde Anfeindungen führten laut der Ministerin auch dazu, dass sich engagierte Bürger aus der öffentlichen Diskussion zurückgezogen haben. Den Strafrahmen bei Mord- und Vergewaltigungsdrohungen im Netz hat das Justizministerium mit bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe verdreifacht.
Ab Februar 2022 müssen soziale Netzwerke Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und andere schwere Hassdelikte nicht mehr nur löschen, sondern auch dem Bundeskriminalamt melden. Das soll zu schnellen und konsequenten Ermittlungen gegen Hetzer führen – bevor aus ihren Worten Taten werden, so die Ministerin.
Das Gesetz gegen Hass und Hetze …
Das Gesetz enthält folgende Kernpunkte:
1. Erweiterungen und Verschärfungen des Strafgesetzbuchs
Bedrohung (§ 241 StGB)
- Bislang war nach § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen – wie die Morddrohung – strafbar. Jetzt sind auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert (wie die Drohung, ein Auto anzuzünden), die sich gegen die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen richten, mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe strafbar. Wird die Tat im Internet oder auf andere Weise öffentlich begangen, drohen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe. Der Strafrahmen für die Bedrohung mit einem Verbrechen wurde auf ebenfalls bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe angehoben, wenn diese nicht öffentlich erfolgt. Bei einer öffentlichen Drohung mit einem Verbrechen können bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden. Das gilt etwa für Mord- und Vergewaltigungsdrohungen im Internet.
- Beleidigung (§ 185 StGB): Öffentliche Beleidigungen sind laut und aggressiv. Für Betroffene können sie enorm belastend wirken. Wer öffentlich im Netz Menschen beleidigt, kann jetzt mit bis zu zwei statt mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden.
- Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB): Der besondere Schutz des § 188 StGB vor Verleumdungen und übler Nachrede gilt jetzt ausdrücklich auf allen politischen Ebenen, also auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Zudem wurde der Straftatbestand auch auf den Schutz vor Beleidigungen ausgedehnt.
- Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB): Ab jetzt ist auch die Billigung noch nicht begangener schwerer Taten erfasst, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies richtet sich gegen Versuche, ein Klima der Angst zu schaffen. Das öffentliche Befürworten der Äußerung, jemand gehöre „an die Wand gestellt“ ist ein Beispiel für die nun bestehende Strafbarkeit.
- Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB): Hier ist nun neben den bereits erfassten Straftaten auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung und von schweren Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung umfasst.
- Antisemitische Tatmotive werden nun ausdrücklich als strafschärfende Beweggründe genannt (§ 46 Abs. 2 StGB).
- Schutz von Notdiensten (§ 115 StGB): Mancherorts ist es Alltag, dass Rettungskräfte und medizinisches Personal attackiert werden. Rettungskräfte im Einsatz sind bereits 2017 strafrechtlich besser vor Attacken geschützt worden. Dieser Schutz wurde nun auf Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen ausgedehnt.
2. Pflicht sozialer Netzwerke zur Meldung von Hasspostings an das Bundeskriminalamt
Soziale Netzwerke werden strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in bestimmten schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen, damit die strafrechtliche Verfolgung ermöglicht wird. Diese Meldepflicht wird ab dem 1. Februar 2022 gelten, um dem BKA, den Staatsanwaltschaften und den Netzwerkanbietern ausreichend Vorbereitungszeit zu geben. Um Täter und Täterinnen schnell identifizieren zu können, müssen soziale Netzwerke dem BKA dann neben dem Hassposting auch die IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war, mitteilen. Die Meldepflicht wird folgende Straftaten umfassen:
– Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB)
– Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB) sowie Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB)
– Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB)
– Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)
– Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit (§ 241 StGB)
– Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen (§ 184b StGB)
Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sind nicht von der Meldepflicht umfasst, da die Abgrenzung zu von der Meinungsfreiheit umfassten Aussagen hier im Einzelfall schwierig sein kann. Soziale Netzwerke müssen allerdings künftig Nutzerinnen und Nutzer darüber informieren, wie und wo sie Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen können.
3. Erleichterte Auskunftssperren im Melderecht
Ab jetzt können von Bedrohungen, Beleidigungen und unbefugten Nachstellungen Betroffene leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen. So sind sie davor geschützt, dass ihre Adressen weitergegeben werden. Dazu wurde § 51 des Bundesmeldegesetzes geändert. Die Meldebehörden müssen künftig berücksichtigen, ob die betroffene Person einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen oder Angriffen ausgesetzt sieht. Bei einer melderechtlichen Auskunftssperre wird (wie bisher) bei Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben.
Be the Change …
Vielleicht hilft das neue Gesetz dazu, „Hasskriminalität“ – wie Hate Speech, Cybermobbing, Shitstorms und die allgemeine Verrohung der Sprache einzudämmen oder ein neues Bewusstsein über einen respektvollen Diskurs zu schaffen. Dafür müssen aber auch die Politiker der politischen Mitte ihren Beitrag leisten und wieder zu ihrer Vorbildfunktion zurückkehren. Nur zu oft haben diese in den letzten Jahren das Gegenteil mit ihrem Handeln bewiesen und Hetzern im Internet ihre Legitimation gegeben: Ein Kanzlerkandidat zeigt den Mittelfinger auf dem Titelbild eines Printmagazins, eine Bundesvorsitzende erklärt vor laufenden Kameras den politischen Mitbewerber eins „auf die Fresse zu hauen“ und ein Ministerpräsident faucht einen Demonstranten an, „sein Maul“ zu halten. Gerade die Verantwortungsträger in der Politik sollten über ihre Wortwahl nachdenken und sich wieder ihrer Verantwortung und Vorbildwirkung stellen. Aber jeder von uns hat in seinem Umkreis einen Vorbildcharakter. Packen wir uns an unsere eigene Nase und argumentieren und kritisieren wir stilvoll und konstruktiv. Unsere Kinder werden es uns danken, wenn auch ihre Hater Cybermobbing für ein No-Go halten.