Softwareschmieden im Silicon Valley haben ein neues Business entdeckt. Sie sammeln Venturekapital ohne Ende ein. Mit Kreativität, Künstlicher Intelligenz und 3-D-Programmen erschaffen sie dafür virtuelle Influencer, die es im wahren Leben nicht gibt. Die virtuellen Charaktere findet man auf facebook, Instagram und Snapchat und werden von Millionen Followern verfolgt. Viele wissen allerdings nicht, dass es sich um sogenannte Avatare (künstliche Personen) handelt. Die Charaktere und die Geschichtenwelten sind fiktiv, erfunden von KI-gelenkten Designprogrammen und KI-gefütterten Schreibprogrammen. Das Erfolgsrezept: das Leben mit dem passenden kulturellen Verständnis im kollektiven Zeitgeist zu verpacken. Springt die Community nicht darauf an, werden in minutenschnelle neue Storywelten geschaffen – virtuell versteht sich.
Dicke Werbeverträge mit fiktiven Influencern
Aber nicht nur mit dem Investment der Investoren verdienen ihre Schaffer eine Menge Geld, sondern auch mit den Werbeverträgen, die sie für ihre Avatare abschließen. Die tragen Designerprodukte, futtern Süßigkeiten bekannter Marken und machen auch sonst so alles, was man gerne in sozialen Netzwerken macht: Posen. Dazu reicht eine authentische Körperhaltung, eine coole Location, richtiges Licht, ein ausgefallener Winkel vor der Kamera und der angesagteste Farbfilter. Die virtuellen Charaktere sind dabei die Zukunft: kostengünstig, skandalfrei, vertragstreu und alterungsfrei. Ideale Bedingungen für die Fantasie der Macher und Anleger.
„Bemerkenswerte öffentliche Person“
Eine der virtuellen Charaktere aus den kalifornischen Softwarestudios Brud ist die Instagramerin Lil Miquela. Fast 3 Millionen folgen ihr. Wie viele davon andere Avatare – also Fakeaccounts – sind, ist nicht bekannt 😉 Interessiert auch offensichtlich keinen der Investoren oder Werbetreibenden. Neben ihrem bürgerlichen Namen trägt sie zudem den blauen Haken für die Echtheit der Person oder wie es Instagram nennt, eine „bemerkenswerte öffentliche Person, Berühmtheit, globale Marke oder Körperschaft, die sie vertritt“. Sie haben richtig gelesen! Die Online-Enzyklopädie Wikipedia führt Lil übrigens bescheidenerweise in den Kategorien Trickfigur und fiktive Musikerin. Genau, jetzt singt sie auch noch. Auf dem sozialen Videoportal Youtube wurden ihre Songs schon mehrere Millionen angeschaut. Auch hier stellt sich die Frage für mich: Von echten Nutzern oder anderen Avataren oder Künstlichen Intelligenzen?! Wikipedia führt Lil übrigens in der Kategorie Trickfigur und fiktive Musikerin.
Fazit
Im Filmgeschäft zählen fiktive, von Computerprogrammen animierte Filmfiguren seit Jahrzehnten zur Normalität. Die Figuren werden (allerdings) noch vom Menschen ausgedacht. Ihr Aussehen, ihr Charakter, ihre Dialoge … all das stammt aus der Feder kreativer Zeichner und Autoren. In naher Zukunft werden auch die ersten KIs Hollywood-reife Filme skripten und dafür mit einem Oscar ausgezeichnet werden. KI-gesteuerte Avatare werden ebenso neben „normalen, real existierenden“ Influencern agieren. Nur sollte man daran denken, dass Avatare auch außer Kontrolle geraten können. Das musste schmerzhaft der Softwarehersteller Microsoft vor vier Jahren erfahren, als die KI-erzeugte Bloggerin namens Tay rechtsradikale Posts auf dem sozialen Kurznachrichtendienst twitter abließ. Doch aufzuhalten ist dieser Trend nicht. Influencer-Accounts, die von Künstlicher Hand sind, sollten allerdings mit einem entsprechenden Symbol gekennzeichnet sein … wenn das nicht gegen die Menschencharta verstößt.