Von Edith Billigmann
Thomas Stiren hat all das erreicht, was man mit einem erfolgreichen Unternehmer verbindet. Nun soll er als frisch gewählter IHK-Präsident die Kammer in die Moderne führen. Unser Beitrag zur Serie „Menschen der Region“.
Er ist das Gesicht, das man mit Netzwerkerfolg verbindet. Denn Thomas Stiren, frisch gewählter IHK-Präsident, hat schon in jungen Jahren gezeigt, worauf es ihm ankommt: Mit seiner 1995 als Studenten-Start-up gegründeten und heute auf dem Petrisberg ansässigen Firma „rdts AG“ hat er als eine der ersten Internetagenturen Deutschlands Geschichte geschrieben. Jetzt will der ambitionierte und immer noch ehrgeizige Unternehmer, der über 3.000 Projekte verantwortet und zahlreiche Auszeichnungen eingefahren hat, vor allem eins: „Die Mitgliedsbetriebe dabei unterstützen, dass die digitale Transformation gelingt.“
Eben das will und soll er nun in seiner Eigenschaft als IHK-Präsident vorantreiben: Künstliche Intelligenz und Automatisierungs-Prozesse, sinnvoll eingesetzt als Arbeitsunterstützung und als probates Mittel gegen den Fachkräftemangel. Denn den zu bewältigen, sieht er als die derzeit größte Herausforderung. Ein weiteres Mittel: Zuwanderung. „Ohne geht es nicht“, sagt er und stellt das gelungene Azubi-Gemeinschaftsprojekt mit Indonesien und mit Marokko im Bereich Hotel- und Gaststätten sowie Pflege vor. Eine erfreuliche Tendenz seien die nach Corona wieder steigenden Ausbildungszahlen. „Die duale, praxisnahe Ausbildung ist unser Superprodukt“, konstatiert er. Die IHK gelte als Garant für hochwertige Aus- und Weiterbildung. Die Augen vor weiteren Herausforderungen für die IHK verschließt er dabei nicht: Bürokratieabbau und Stärkung des Beteiligungsportals für Mitgliedsbetriebe bei drängenden Problemen stehen bei ihm ganz oben auf der Agenda.
Zukunftsängste und Hoffnungsschimmer – ein Interview
Dem 53-Jährigen traut man es zu, hat er doch das eigene Unternehmen zum Erfolg geführt. Doch er weiß auch: Da spielt nicht nur die Technik eine große Rolle, sondern auch der Faktor Mensch. Denn der will mitgenommen werden auf neuen, unbekannten Wegen, denen er erst einmal mißtrauisch gegenüber steht. Sprich: Zunächst müssen die Hürden – gemeint ist der große Respekt – vor neuer Technik abgebaut und Vertrauen in KI und Automatisierungsprozesse als notwendige Arbeitshilfen geschaffen werden. Wie das gehen kann und welche Aufgaben die IHK noch zu bewältigen hat, erzählt er im Gespräch mit dem WochenSpiegel.
Herr Stiren, Sie haben von einer Vorreiterrolle Triers als Modellregion für Digitalisierung gesprochen. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
Thomas Stiren: Es geht um Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Und die würde durch einen gezielten Einsatz von KI und Automatisierung profitieren. Allerdings will ich den Gesprächen, die noch folgen, nicht vorweggreifen
Wird bei den Gesprächen auch das Thema Home-Office-Regelung für hiesige Arbeitnehmer in Luxemburg eine Rolle spielen?
Thomas Stiren: Hierzu haben wir uns bereits positioniert und stehen mit der Politik im Dialog. Die neue Home-Office-Regelung mit Anhebung der Freigrenze von 19 auf 34 Tage pro Kalenderjahr ist kein Grund zum Feiern. Das war viel mehr ein Schlag ins Gesicht. Die Reaktion unserer Bundestagsabgeordneten habe ich nicht verstanden, denn die Steuern, die der LU-Pendler bisher ab dem 20. Tag in Deutschland bezahlen musste, fallen schlichtweg weg. Und das, obwohl er die hiesige Infrastruktur wie Autobahnen, Kitas und Schulen wie bisher nutzt. Unsere Stärke sind unsere Mitarbeiter. Wir dürfen es nicht zulassen, dass sie aufgrund besserer Rahmenbedingungen, die der deutsche Staat fürs Arbeiten im benachbarten Ausland schafft, abwandern. Die Politik sollte es den Unternehmern nicht noch schwerer machen, als es ohnehin ist. Dennoch möchte ich betonen, dass unser Verhältnis zum Nachbarstaat noch immer eine Win-Win-Situation ist. Denn viele Unternehmen, insbesondere unser Einzelhandel, profitiert auch von den Kunden aus Luxemburg.
Nun zum Thema Nachhaltigkeit, das von vielen Unternehmen mittlerweile fürs Marketing genutzt wird.
Thomas Stiren: Zum großen Teil handelt es sich bei den Unternehmen in der Region um Familienbetriebe, die per se in Generationen denken und deshalb von sich aus ihre Firmenpolitik unter dem Nachhaltigkeitsaspekt betreiben. Mit Blick auf die derzeitige politische Richtung in Sachen Umweltschutz mahne ich aber an, dass bei allen Maßnahmen und Auflagen für Betriebe die Wettbewerbsfähigkeit im Blick behalten werden muss.
Apropos Politik. Dort ist Umweltschutz eines der großen Streitthemen. Welche Auswirkungen hat das auf die Betriebe?
Thomas Stiren: Keine guten. Wir brauchen dringend Planungssicherheit, beispielsweise beim Heizungsgesetz. Der Endverbraucher ist verunsichert, der Unternehmer auch. Im Bausektor bleiben die Aufträge aus. Wir befinden uns in einer schweren Krise, vergleichbar mit der Bankenkrise von 2008. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist immens gefährdet. Um es noch einmal zu betonen: Beim Umweltschutz müssen die besseren Argumente den Ausschlag geben, nicht die ideologischen.
Sie werben für mehr Transparenz und Offenheit sowie schnellere Hilfe bei Problemen.
Thomas Stiren: Das eine bedingt das andere. Die IHK bietet ein Beteiligungsportal an, bei dem Mitglieder sagen können, wo der Schuh drückt. Wir bemühen uns dann um schnellstmögliche Abhilfe. Hier halte ich es wie mein Vorgänger Peter Adrian: Die IHK muss immer Teil der Lösung sein.
Wo könnte der Schuh besonders stark drücken?
Thomas Stiren: Beispielsweise, wenn ein Betrieb in Schieflage gerät und Beratung braucht. Oder wenn er sich erweitern möchte und bei der Standortsuche Unterstützung benötigt. Häufig wird auch eine Beratung im Vorfeld einer Existenzgründung gesucht oder wenn es um Aus- und Weiterbildung insbesondere in Bereichen der Digitalisierung geht.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen, denen sich die IHK für ihre Mitgliedsbetriebe stellen muss?
Thomas Stiren: Ganz klar beim Fachkräftemangel und beim Bürokratieabbau, ebenso bei der Umsetzung digitaler Strategien und dem Einsatz Künstlicher Intelligenz.
Wie sieht die Situation auf dem Arbeitsmarkt derzeit aus?
Thomas Stiren: Der Bedarf an Fachkräften ist groß und kann zur Zeit nicht zufriedenstellend gedeckt werden. Ohne Zuwanderung wird sich das Problem nicht lösen lassen. Erleichterung können aber eine forcierte Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bringen. Die gute Nachricht: Seit dem Ende der Corona-Pandemie verzeichnen wir wieder steigende Ausbildungszahlen. Die IHK kann mit ihrem guten Angebot an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen punkten. Insbesondere die duale Ausbildung ist unser Superprodukt. Im Metallbereich und im Hotel- und Gaststättengewerbe haben wir ein vielversprechendes Projekt zur qualifizierten Ausbildung von jungen Menschen aus Marokko und Indonesien angestoßen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Edith Billigmann.
Thomas Stiren – zur Person
– Thomas Stiren ist in Trier geboren, in Bitburg aufgewachsen, hat in Trier studiert, dort seine Firma gegründet und wohnt nun mit seiner Familie in Wittlich.
– Er ist verheiratet und Vater zweier Kindern. Seine Familie steht unangefochten auf Platz 1, ganz oben sind auch seine Freunde angesiedelt. Das Ehrenamt sei für ihn nur aus dieser gefestigten Situation heraus machbar.
– Fit hält er sich mit Schwimmen und Joggen. Doch viel Zeit dafür bleibt ihm nicht mehr, denn: „Mittlerweile sind meine Töchter mein größtes Hobby.“
– Thomas Stiren ist Mitglied der IHK-Vollversammlung und Mitglied im Ausschuss für Wirtschafts- und Regionalentwicklung, ebenso ehrenamtlicher Rechnungsprüfer der IHK. Seit April 2022 gehört er dem Präsidium an. Sieben Jahre lang war er Präsident des Marketing-Clubs Trier-Luxemburg.
– Als Unternehmer hat er mehrere Auszeichnungen erhalten: den NEG Website-Award, den dreimaligen Multimedia-Preis des Landes RLP, den Digital-Business-Award von Handelsblatt, Deutscher Telekom und Bundesregierung. Im Vorstand der rdts verantwortet er das Projektmanagement und Secure-Cloud-Dienste und ist als Dozent, Autor und Podcaster aktiv. Seine Internetseite und sein Blog-Channel laufen unter dem Namen „Netzversteher“.
Der Faktor Mensch … – Kommentar
… Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Automatisierung auf der einen Seite, Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie und Wirtschaftsflaute auf der anderen Seite: Thomas Stiren hat in nicht leichten Zeiten die Nachfolge Peter Adrians als IHK-Präsident angetreten. Ihm traut man es zu, den Mitgliedsbetrieben die nötige Unterstützung für die dringend erforderliche Transformation ins digitale Zeitalter zu geben. Warum? Weil er sich als Unternehmer auf eben diesem Feld bewiesen hat und Theorie in Praxis umsetzen konnte. Und weil er weiß, dass der Erfolg maßgeblich vom Faktor Mensch abhängt.