Geschäftsmodell Abmahnung. Jeder Homepagebetreiber kennt die Gefahr, durch fehlerhafte, unvollständige oder veraltete Rechtsangaben im Impressum, Datenschutz oder in der Produktdarstellung abgemahnt werden zu können. Es folgt die Rechnung des Anwalts (auf alle Fälle zu zahlen) und eine strafbewährte Unterlassungserklärung, die es – nach Vorstellung des Anwalts – zu unterschreiben gilt. Besonders die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat sich u. a. Immobilienmakler und Autohäuser ausgeguckt, die auf ihren Internetseiten die gesetzlich vorgeschriebenen Daten nicht gesetzeskonform angegeben hatten. Auch andere Anwälte sind unter dem weniger schmeichelhaften Begriff der Abmahnanwälte verschrien. In Foren werden diese angeprangert und deren Schriftsätze offengelegt, um andere vor gleichen Fehlern zu bewahren. Insbesondere für kleine Betriebe waren die geforderten Summen, im Durchschnitt bei 4.000 €, kein Pappenstiel. Und so verloren einige sogar die Lust, im Internet überhaupt noch aktiv zu sein, da die Überprüfung der Rechtssicherheit der eigenen Seite auch Kosten verursachte und so weitere Geschäftszweige entstanden sind.
Der Deutsche Bundestag hat heute diesem Treiben ein vorläufiges Ende beschert und das Gesetzes zur „Stärkung des fairen Wettbewerbs“ beschlossen. Zumindest geht es in die richtige Richtung und enthält ein umfassendes Paket an Maßnahmen, das zu einer erheblichen Eindämmung des Abmahnmissbrauchs führt und damit insbesondere Selbständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen solcher Abmahnungen schützen wird, ist sich das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz sicher, welches den Entwurf in dritter Lesung eingebracht hat.
Mit folgenden Kernpunkten soll das Abmahngeschäft unterbunden werden:
Verringerung finanzieller Anreize für Abmahner
- Abmahnungen sollen zu einem rechtstreuen Wettbewerb beitragen und nicht zur Generierung von Anwaltsgebühren und Vertragsstrafen missbraucht werden.
- Zu diesem Zweck sollen Mitbewerber bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet oder bei Verstößen von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern gegen Datenschutzrecht kein Anspruch auf Kostenerstattung für die Abmahnung erhalten. In diesen Fällen wird bei einer erstmaligen Abmahnung auch die Höhe einer Vertragsstrafe begrenzt.
Voraussetzungen für die Anspruchsbefugnis der Abmahner erhöhen
- Wettbewerbsverhältnisse sollen nicht bewusst geschaffen werden, um Einnahmen durch Abmahnungen zu ermöglichen. Mitbewerber können Unterlassungsansprüche daher in Zukunft nur noch geltend machen, wenn sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Online-Shops mit Fantasieangeboten werden damit ebenso ausgeschlossen wie Mitbewerber, die bereits insolvent sind und gar nicht mehr am Wettbewerb teilnehmen.
- Auch unseriösen Wirtschaftsverbänden, die zur Erzielung von Einnahmen aus Abmahnungen gegründet werden, wird die Geschäftsgrundlage entzogen. Anspruchsberechtigt sind nur noch Wirtschaftsverbände, die sich – nach Erfüllung bestimmter Anforderungen – auf einer Liste qualifizierter Wirtschaftsverbände eintragen lassen. Die Erfüllung der Anforderungen durch die Wirtschaftsverbände wird durch das Bundesamt für Justiz regelmäßig überprüft.
Gegenansprüche des Abgemahnten erleichtern
- Die Betroffenen können missbräuchliche Abmahnungen in Zukunft durch die Schaffung mehrerer Regelbeispiele für missbräuchliche Abmahnungen leichter darlegen. Hierzu zählt die massenhafte Versendung von Abmahnungen durch Mitbewerber genauso wie Fälle, in denen eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe verlangt wird oder Mitbewerber einen unangemessen hohen Gegenstandswert ansetzen. Wer zu Unrecht abgemahnt wird, erhält außerdem einen Gegenanspruch auf Ersatz der Kosten für die erforderliche Rechtsverteidigung. Abmahner müssen die Berechtigung einer Abmahnung daher in jedem Einzelfall sorgfältig prüfen, um finanzielle Risiken zu vermeiden.
Wahl des Gerichtsstands einschränken
- Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (sog. fliegender Gerichtsstand) ermöglicht dem Kläger bei nicht ortsgebundenen Rechtsverletzungen, sich das für sie passende Gericht auszusuchen. In Zukunft gilt bei Rechtsverletzungen im Internet und im elektronischen Geschäftsverkehr einheitlich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten (des zuvor Abgemahnten).
Fazit
Es bleibt zu hoffen, dass die Ära windiger Abmahnanwälte vorbei ist. Sollten diese allerdings Schlupflöcher finden, ist eine Nachbesserung erforderlich. Es kann nicht sein, dass der Betrieb von Webseiten immer mehr bürokratisiert wird. In der analogen Welt reicht die Impressumspflicht. Im Internet werden darüber hinaus Datenschutzangaben und Cookie-Banner verlangt, individuell auf das Angebot der Internetseite zugeschnitten. Bevor man eine Website aufrufen kann, muss der sogenannte Cookie-Banner angeklickt werden. Die Onlinewelt ist völlig überreguliert. Ein ganz kleiner Schritt dagegen wurde heute dem entgegengesetzt. Ein ganz kleiner!
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