01.03.2020

Praxisuntauglich, antiquiert und kontraproduktiv: Das neue Influencer-Gesetz

netzversteherFoto: netzversteher

Wann müssen Influencer ihre Beiträge als Werbung kennzeichnen? Diese Frage hat in den letzten zwei Jahren für große Aufmerksamkeit gesorgt. Sogar das Markieren eines anderen mutmaßlich kommerziellen Freundes stellt schon eine Werbung dar. Nicht zuletzt mehrere voneinander abweichende Gerichtsentscheide, die in Presse und Internetszene kontrovers diskutiert wurden, haben zu einer großen Unsicherheit beigetragen.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat nun einen Regelungsvorschlag zum Influencermarketing vorgelegt, wie nicht kommerzielle Kommunikation zur Information und Meinungsbildung von Werbung abgegrenzt werden soll. Mit dem vorgelegten Regelungsvorschlag will das BMJV einen sicheren Rechtsrahmen für unentgeltliche Empfehlungen von Influencern und Bloggern schaffen. Danach sollen Äußerungen in sozialen Medien zu Produkten nicht als Werbung gekennzeichnet werden müssen, wenn sie ohne Gegenleistung erfolgen und vorrangig der Information und Meinungsbildung dienen. Ein wichtiger Meilenstein!

Es soll nun im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eine Ergänzung des Paragrafen 5a (Irreführung durch Unterlassen) vorgenommen werden: „Ein kommerzieller Zweck einer geschäftlichen Handlung ist in der Regel nicht anzunehmen, wenn diese vorrangig der Information und Meinungsbildung dient und für diese kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung gewährt wurde.“

Als Ausschussmitglied Medien und Kommunikation der DIHK und Internetexperte wurde ich um meine Einschätzung zur geplanten Gesetzesänderung gebeten. Der Ausschuss diskutiert die wichtigsten medienpolitischen Themen und stimmt die Position der deutschen Wirtschaft mit den Ministerien ab.

Ich halte von dieser Ergänzung nichts, weil die Kennzeichnungspflicht generell praxisuntauglich, antiquiert und kontraproduktiv ist.

Praxisuntauglich

Influencer senden oder veröffentlichen ihre Posts oder Stories oft live. Es ist hier unmöglich, den Schriftzug „Werbung“ einzubauen. Eine generelle Kennzeichnung als werbliches Konto wäre daher am sinnvollsten. Denn schließlich verdienen die Influencer ja mit ihrem Empfehlungsmarketing Geld.

Antiquiert

Auf der Metaebene betrachtet, stellt sich die eigentliche Frage, was denn heute keine Werbung darstellt: Lebt das soziale Internet seit jeher denn nicht von Verlinkungen und Empfehlungen? Ist das Internet nicht die größte Verkaufsplattform der Welt? Wenn ich einen Supermarkt betrete, werde ich auch nicht auf Werbung hingewiesen! Es impliziert es.

Kontraproduktiv

Typisch deutsch. Social Commerce ist einer der Zukunftsmärkte. Viele potenzielle Influencer werden davon abgehalten, sich kreativ und gewerblich zu engagieren, weil sie Angst vor Rechtsunsicherheit und Abmahnungen haben. Weniger Bürokratisierung und Klarheit wäre hier mehr. Deswegen ist es grundsätzlich gut, dass das BMJV etwas unternimmt.

Vergleicht man die Influencer mit anderen Prominenten in der realen Welt, stellt man zudem zweifelsfrei fest: Letztere laufen nicht über den goldenen Teppich oder sitzen in Talkshows und haben an ihrem Schmuck, ihrer Klamotte oder ihrem Smartphone ein Schild „Werbung“ hängen. Bei meinen Verhandlungen als Handelsrichter beobachte ich zudem sehr kritisch, dass es sich bei den Abmahnenden fast immer um die selben Verbände handelt. Das prekäre: Ist man Mitglied in einem dieser Verbände, ist man vor einer Abmahnung geschützt.

Fazit:
Stefan Raab riss in einem ähnlichen Konflikt mit den Landesmedienanstalten sogar der Geduldsfaden und nannte fortan seine Sendungen „Dauerfernsehsendung“ (eine ironische Anspielung auf den Begriff Dauerwerbesendung). Für mich impliziert das Betreten des virtuellen Vertriebskanals Internet, dass es um Empfehlungen geht, ob mit Provision oder nicht. Das ganze Leben besteht aus Empfehlungen, Kaufen, Verkaufen und … Sich-Verkaufen. Wo fängt Werbung an, wo hört sie auf?

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