12.05.2016

Screenforce Day 2016: Der TV-Branche fehlen die Konzepte für Morgen

Grafik: Netzversteher

Wie sehen die Deutschen in zehn Jahren fern und wie nutzen sie Bewegtbild? „Die neue Freiheit! Bewegtbild auf allen Kanälen“, so lautete das Motto des Screenforce Day 2016, kurz SFD. Rund 1.500 Teilnehmer aus Unternehmen und Agenturen trafen sich in Düsseldorf zum Austausch. „Wir stehen vor großen Herausforderungen, weil wir es im Bewegtbild-Markt mit neuen Wettbewerbern zu tun haben“, begrüßt Veranstalter Martin Krapf die Branchenelite. „Auf der anderen Seite bieten sich den TV-Sendern aber auch ganz neue Chancen, um vor allem die jüngeren Zuschauer mit neuen Content-on-Demand-Angeboten über alle Endgeräte zu erreichen“, so Krapf weiter. Die TV-Branche habe im vergangenen Jahr zudem einen relevanten Milliarden-Betrag in hochwertige Programme investiert, sodass sie für den Wettbewerb in der digitalen Welt gut gerüstet sei.

Lebensphasen der Zuschauer bestimmen TV-Konsum

V-Branche fehlen die Konzepte für Morgen

Zwei Welten: Fersehen und Internet-Fernsehen.

Insgesamt referierten auf dem Screenforce Day 18 Experten. Neben den Keynotes des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff und des renommierten US-Werbebloggers Bob Hoffman ging es vor allem um die Gattungsstudie „Screenlife 2016: Wie es Euch gefällt – Gratifikationen durch Bewegtbild“. Die Essenz: Der individuelle Nutzen der unterschiedlichen Bewegtbild-Angebote wie lineares TV, Videoportale oder Streaming-Dienste wird neben dem Alter auch stark von der jeweiligen Lebensphase der Zuschauer beeinflusst. Die Gratifikationen, die das Fernsehen seinen Zuschauern bietet, sind vor allem Entspannung und Stressabbau, aber auch Wissen, Spannung und Emotion. Diese Belohnungen sind sowohl im Zeitverlauf als auch über die Generationen hinweg weitgehend stabil und stehen auch für die Zukunft kaum in Frage.

TV-Branche lebt in einer anderen Welt

Der Internetexperte Thomas Stiren widerspricht der Branchenmeinung, sie sei für den Wettbewerb in der digitalen Welt gut aufgestellt. „Das Thema Livestreaming wurde kaum behandelt und wird in naher Zukunft die Fernsehlandschaft nachhaltig verändern.“ 7 Milliarden Videos würden sowohl bei Facebook als auch bei Snapchat pro Tag angeschaut. Second Screening, also das Surfen während des Fernsehschauens, wäre bei den jungen Altersgruppen standard. „Es fehlen die Konzepte für Morgen“, warnt der Netzversteher. Seit Anfang des Jahres ermöglicht Facebook neben Text-, Bild- und Videonachrichten kostenlose Videoübertragung – in Echtzeit. Einen derartige Disruption hat es in der TV-Geschichte nicht gegeben, ist sich Thomas Stiren sicher. „Die Jugendlichen schauen pro Tag 40 Minuten Videos online. Diese Zahlen will die Branche einfach nicht wahrhaben.“

Fernsehkonsum im Wandel

Nachdem seit Ende der 1990er Künstler ihre Musik und Bücher selbständig über das Web vertreiben können, dürfte die nächste mediale Zerrüttung des Marktes anstehen. Seit Youtube müssten auch die Fernsehmacher wissen, dass der Fernsehkonsum im Wandel ist. Nicht nur die Werbekunden verlagern ihre Werbebudgets und schalten Spots vor hippen Internet-Clips, sondern die Rezeptionsdauer nimmt zugunsten des Internet ab. Die Diversifizierung der Kanäle und die Innovationszyklen machen ihnen schwer zu schaffen.

Medien haben Verantwortung

Alt-Bundespräsident Christian Wulff appellierte dagegen an die Verantwortung der Medien. Nachdenklich und politisch mahnte er die Verantwortlichen auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. „In weltweit bewegten Zeiten, wie im Moment, müssen Sie sich auch als eine tragende Säule der Demokratie verstehen.“ Die zunehmende Komplexität durch Globalisierung und Digitalisierung führe zu dem Zwiespalt Nachrichten verdichten zu müssen.