
Für mich persönlich war es ein bewegender Augenblick, den Begründer des World Wide Webs (WWW) Sir Tim Berners-Lee persönlich auf der DIGITAL X in Köln zu treffen. Der „Vater“ des WWW und der Programmiersprache HTML möchte nach etlichen Datenskandalen und „Fake News“ die Welt verbessern. Seit dem vor rund 30 Jahren die erste öffentlich zugängliche Webseite online ging, hat sich viel verändert: „Die Menschen wollen ein Internet, dem sie vertrauen können“, sagt Berners-Lee. Er glaubt fest daran, dass eine Wende hin zum Positiven möglich ist und das Internet allen Menschen dienen kann.
Das Internet zum zweiten Mal neu erfinden
Seine Mission: Das Web, wie wir es kennen, neu zu gestalten und besser zu machen. Sein Antrieb: Die Sammelwut privater Daten bei den großen Internet-Konzernen zu bändigen. Seine Initiative: „Solid“ (als Akronym für „Social Linked Data“) nennt er sein Open-Source-Projekt, das über alles hinausgeht, was heute existiert. Sein Vorhaben: Eine neue Firma namens inrupt, die das Projekt verbreiten soll. Die Solid-Idee: Jeder legt seine persönlichen Daten selber ab, die er veröffentlichen will, und zwar in einem Webstandard, der über eine eigene Domainadresse von den Betreibern abgerufen werden kann.
„That’s one small step for a man, one giant leap for mankind.“
Vor genau einem Jahr, im September 2018, hatte Berners-Lee sich mit einem viel beachteten Blog-Beitrag in die Diskussion um die Datensammlung großer Plattformökonomien wie Google, Facebook & Co. gemeldet und damit den Startschuss für das Open-Source-Projekt Solid gegeben. Noch ein kleiner Schritt für das Web, wie Berners-Lee in Anlehnung an den berühmten Ausspruch von Neil Armstrong seinen Aufsatz überschrieb, aber vielleicht doch ein großer für die Menschheit. „That’s one small step for a man, one giant leap for mankind.“
Alle Daten liegen im eigenen „Solid POD“
Innerhalb des Solid-Ökosystems sollen die Nutzer künftig selber entscheiden, wo sie ihre Daten speichern. „Fotos, die Sie machen, Kommentare, die Sie schreiben, Kontakte in Ihrem Adressbuch, Kalenderereignisse, wie viele Kilometer Sie jeden Tag von Ihrem Fitnesstracker aus laufen … sie sind alle in Deinem Solid POD gespeichert“, erklärt der diesjährige Star der DIGITAL X-Messe in Köln vor mehreren Hundert Entscheidern. „Speichern Sie alles, was Sie wollen, in Ihrem eigenen Solid POD.“ PODs seien wie sichere USB-Sticks für das Web, auf die sie von überall zugreifen können, erläutert der britische Informatik-Professor. POD ist die Abkürzung für „personal online data stores“ (persönliche Online-Datenspeicher). Auch anderen kann ein Zugang zu den PODs gewährt werden, sodass auf Fotos reagiert und Erinnerungen geteilt werden können. Das Wichtige für Berners-Lee: Der Nutzer entscheidet, welche Dinge Drittapps und Leute sehen können und welche nicht.
Foto: netzversteher
Der Vater des Internet auf der DIGITAL X in Köln: Sir Tim Berners-Lee
Eine App, die alles regelt
Der neue Standard greift in alle Apps und Programme ein, die verwendet werden. Die Daten müssen daher nicht noch einmal ausgefüllt werden. Sie werden mit der Erlaubnis des Nutzers aus dem Solid-POD gelesen. Die über eine App gespeicherten Daten sind in einer anderen verfügbar: So müssen Daten nie synchronisiert werden, da die Daten bei den Nutzern bleiben. „Dieser Ansatz schützt Ihre Privatsphäre und ist auch für Entwickler ideal: Sie können coole Apps erstellen, ohne vorher große Datenmengen zu sammeln. Jeder kann eine App erstellen, die das nutzt, was bereits vorhanden ist“, ist sich Berners-Lee sicher.
Die Hoheit über die eigenen Daten
Das Solid POD ist wie eine eigene private Website, außer dass die Daten mit allen Ihren Anwendungen interagieren, was bedeutet, dass das POD über eine eigene persönliche Schnittstelle (genannt API) verfügt. Wenn der Nutzer Kommentare oder Videos online veröffentlicht, können die Freunde sie mit jeder beliebigen App ansehen, z. B. einem digitalen Fotobuch oder einem sozialen Feed. Nach der Idee des 64-Jährigen kann man so viele PODs haben, wie man möchte, und sie leben auf Solid-fähigen Webservern speichern. Den Solid Server kann man auf seinem eigenen Server zu Hause oder am Arbeitsplatz installieren oder man kauft sich einen Solid POD von einem der autorisierten Anbieter.
Der Standard für private Daten
Solid ist also nicht nur eine Technologie sondern auch eine Bewegung, um das Web auf seine ursprüngliche Vision neu auszurichten. Basierend auf bestehenden Webstandards und dem Ergebnis jahrzehntelanger Arbeit, verfügt Solid über Lese-/Schreibfunktionen, die Berechtigungen und Identität sowie Datenverwaltung und Echtzeit-Updates über einen Websocket integrieren. Tim Berners-Lee bietet mit Solid eine Plattform für die nächste Generation von leistungsfähigen und innovativen Anwendungen mit einem Höchstmaß an Sicherheit der eigenen Daten. So rasant, wie sich sein Word Wide Web verbreitet hat und heute die zentrale Trägerplattform für alle Medien geworden ist, kann man gespannt sein, wie schnell sich Solid als Quasi-Standard für private Daten entwickeln wird. Zu wünschen ist es!
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