03.02.2018

„transmediale“: Beziehung zu alten und neuen Technologien überdenken

Das Medienkunstevent „transmediale“ ist ein ganz besonderes Festival, welches als ganzjähriges Projekt in Berlin stattfindet. Es will die neuen Verbindungen zwischen Kunst, Kultur und Technologie herausstellen. Unter Technologie versteht sie dabei jedoch mehr als die digitale Welt – und unter Kultur mehr als das, was in institutionalisierten Bereichen der Kulturproduktion entsteht. Veranstaltungsort des Festival ist das Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Die Aktivitäten der transmediale zielen daher darauf ab, ein kritisches Verständnis der gegenwärtigen, von Medientechnologien geprägten Kultur und Politik zu festigen. Im Laufe seiner 30-jährigen Geschichte hat sich das jährliche Festival als eines der wichtigsten Events in den Kalendern von Medienkunstexperten, Künstlern, Aktivisten und Studierenden aus aller Welt etabliert. Der umfassende kulturelle Ansatz des Festivals wird auch von der Bundesregierung anerkannt, die die transmediale als Leuchtturmprojekt der Gegenwartskultur unterstützt.

Ein führendes Medienkunstevent

Foto: Adam Berry, transmediale, CC BY-SA 4.0

Foto: Adam Berry

Das Festival präsentiert mit 25.000 Besuchen jedes Jahr ein umfangreiches Programm, das sich über Ausstellungen, Konferenzen, Screenings, Performances und Publikationen erstreckt. Ein bestimmtes Festivalthema schafft dabei den Rahmen für die Arbeit von Hunderten von Künstlern, Medienaktivisten, Wissenschaftlern, Designern und anderen Kreativen, die reflexive, ästhetische und spekulative Positionen im Feld von Kunst, Kultur und Technologie beziehen. Die Formate des Festivals verändern sich von Jahr zu Jahr, da die transmediale versucht, die intrinsische Verbindung zwischen transdisziplinärem Denken und kultureller Praxis in den Vordergrund zu stellen. Dennoch haben sich bestimmte Programmbereiche im Laufe der Zeit etabliert: So werden im Ausstellungsprogramm sowohl thematisch kuratierte Werke als auch eine Auswahl der jährlichen Ausschreibung präsentiert.

Alte und neue Medien neu betrachten und bewerten

Im Mittelpunkt stehen dabei Kunstwerke, die dazu herausfordern, unsere tägliche Beziehung zu alten und neuen Technologien zu überdenken. Im Rahmen des Konferenz- und Workshop-Programms wird die kritische Dimension des Festivalthemas im Bereich des Netzwerkens, des Hacktivismus, der Medientheorie und der Politik der technologischen Entwicklung untersucht. In den vergangenen Jahren waren viele renommierte Sprecher aus Wissenschaft und Kunst in den Keynotes und Panels als Vortragende anwesend. In den Workshops werden Projekte weitergeführt, die in den anderen Programmbereichen vorgestellt wurden. Dadurch entstehen sowohl praktische als auch diskussionsbasierte Herangehensweisen in spezialisierten und tiefergehenden Kontexten.

Künstlerische Retrosperktiven als Film- und Videoprogramm

Foto: Paula Abreu Pia

Foto: Paula Abreu Pia

Das Film- und Videoprogramm widmet sich zeitgenössischen künstlerischen Videowerken und experimentellem Filmmaterial mit historischem Bezug. Das breite Spektrum des Programms umfasst kürzere, gegenwärtige Videoarbeiten und Sonderprogramme von künstlerischen Retrospektiven, thematisch verbundene Spielfilme oder Dokumentationen. Im Zentrum des Performance-Programms stehen audiovisuelle Live-Ausdrücke alter und neuer Medien. Es werden interdisziplinäre Projekte aus den Bereichen Installation, Klang, Performance und Video auf der Bühne präsentiert, welche die Suche nach neuen Ausdrucksformen zur Schau stellen – losgelöst von künstlerischen Genres. In Kooperation mit der transmediale findet außerdem das CTM Festival (ehemals club transmediale) statt, das ein Parallelprogramm mit aktueller elektronischer, digitaler und experimenteller Musik vorstellt.

Individualität und Eigenverantwortung als gesellschaftlicher Imperativ

Das Film- & Videoprogramm wurde von Florian Wüst kuratiert: Soziale Errungenschaften, die einst als Ausgleich für die Härten der Industrialisierung und Urbanisierung erkämpft wurden, sind vielerorts in Auflösung begriffen. Stattdessen soll der Markt – unterstützt von staatlicher Regulation – Wohlfahrt und Daseinsvorsorge produzieren: Individualität und Eigenverantwortung nicht mehr nur als Mittel der Emanzipation, sondern als gesellschaftlicher Imperativ. Dort, wo Fortschritts- und Demokratiemodelle nach neoliberalen Prämissen abgebaut werden oder gescheitert sind, gewinnen traditionalistische Ideologien an Boden. Diese richten sich nicht gegen die Ursachen ökonomischer und sozialer Ungleichheit, sondern gegen bürgerliche Rechte und Freiheiten, die immer auch die Herausbildung von Privilegien befördern. Hierin scheint die von Populist_innen angeführte Verachtung gegen die intellektuellen und politischen Eliten mit begründet.

Keine absolute Wahrheit in politischen Dingen

Ein Merkmal des Populismus, wie wir ihn aktuell erleben, liegt in der Behauptung, im Besitz der Wahrheit zu sein und zu wissen, was das „Volk“ wolle, wodurch sich die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen erübrigt. Demokratie basiert jedoch auf der Erkenntnis, dass es keine absolute Wahrheit in politischen Dingen geben kann. Die Filterblasen und Echokammern der digitalen Netzwerke suggerieren Einheit und Homogenität von etwas, das in Wirklichkeit durch Vielfalt geprägt ist. Diese Normalität diverser kultureller und weltanschaulicher Identitäten in der modernen Gesellschaft wird zunehmend zur Angriffsfläche für rechte und rassistische Gewalt.

Macht von Bildern und Sprache hinterfragen

Vor dem Hintergrund der thematischen Schwerpunkte von face value präsentiert das Film- und Videoprogramm des Festivals eine internationale Auswahl experimenteller, essayistischer und dokumentarischer Kurzfilme. Die Beschäftigung mit Wert und Werten erfordert Selbstreflexion, welche die Macht von Bildern und Sprache hinterfragt; das Mittel der kritischen Analyse verbindet sich in den historischen und zeitgenössischen Arbeiten mit künstlerischer Subversion und visionärem Denken. Neben dem eigens für die transmediale entwickelten Projekt von Stefan Panhans und Andrea Winkler sowie der Deutschlandpremiere von Eric Baudelaires Also Known As Jihadi ist eine weitere Besonderheit geboten: das von Stefan Rusu kuratierte Programm Nothing To Lose: The Melancholy of Resistance mit Filmen aus Südostasien.