
Der Informatiker Stefan Münz beginnt 1995 mit dem Aufbau des Webprojektes „SelfHTML“. Wie der Name schon sagt: eine Website, um sich die Internetseiten-Programmiersprache HTML (Hypertext Markup Language) selbst beizubringen. SelfHTML entwickelt sich dabei aus dem Nichts zum größten Nachschlagewerk für Webentwickler und wird zum Duden der Internetseiten-Programmierer. Die mittlerweile als freie Enzyklopädie geführte Website behandelt nicht nur die Grundlagen von HTML, sondern auch von anderen Webtechnologien wie CSS oder JavaScript.
25 Jahre SelfHTML
In einem Blogbeitrag zum 25-jährigen Geburtstag von SelfHTML und in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin SPIEGEL erfährt der Leser interessante Hintergründe und Einschätzungen der Webikone Stefan Münz, der eigentlich nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen will. Dennoch sind seine Denkanstöße richtig und wichtig. Denn er beklagt zu Recht, dass die Grundidee des Internet verloren geht.
Hypertext schafft Zusammenhänge
Mit dem „altbackenen Hyperlink-Vernetzungsgedanken“ mag sich niemand mehr befassen, glaubt Münz. Doch der Hypertext sei mehr als nur „Text mit Links, der zu anderen Texten führt“. Hypertext sei die Vision des Schaffens von Zusammenhängen. Und Smartphones ‒ das werde oft verkannt ‒ seien bei Menschen nicht nur deswegen so beliebt, weil sie stets verfügbare unterhaltsame „Daddelkästchen zum Zeitvertreib“ seien, sondern weil sie Zusammenhänge und Orientierung schafften … auch wenn damit noch nichts über deren „intellektuelle Schöpfungshöhe“ gesagt sei.
Grundidee des Internet geht verloren
Doch das Web sei in Gefahr: „Immer mehr große Seiten reißen die Nutzer an sich und die kleinen Plattformen sterben aus“, warnt Münz in dem SPIEGEL-Interview vor einer „Verklumpung des Internet“. Die milliardenschweren Plattformen bluteten den Rest des Web aus und seien zu seinen Sargnägel geworden: „Google zum Suchen, Wikipedia zum Nachschlagen, YouTube und Netflix zur Unterhaltung, Amazon zum Einkaufen, Twitter für Public Affairs und Facebook für Katzen- und Verschwörungscontent.“ Von dem ursprünglichen Web 2.0 sei dabei ebenso wenig übrig geblieben wie vom Web des Netscape-Browsers und der Dotcom-Blase, also von der Zeit, als SelfHTML entsteht.
Von der einen zur anderen Seiten hopsen
Münz spricht von einer Verarmung gegenüber den Anfängen des WorldWideWeb, wo jeder seine eigene Webseite hatte: „Früher ist man als Nutzer von einer Seite zur anderen gehopst und hatte nicht alles unter einem Dach.“ Die klassische Website rückt in den Hintergrund, verliert ihren Stellenwert als ehemaliges Informationsmedium Nr. 1. Die Nutzer informieren sich in den sozialen Medien, interagieren und vernetzen sich dort.
Soziale Effekte des Web als wichtigster Pfeiler
Die sozialen Effekte erreiche das Web mitunter in den sozialen Medien und sind für Münz der wichtigste Pfeiler für die Zukunft des Internet. Diese sozialen Effekte müssten in Zukunft noch stärker gebündelt und sogar kontrolliert werden müssen, um webbasiert Körperschaften oder ganze Gesellschaften zu organisieren. Ein interessanter Ansatz, vor allem, weil er seine Erfahrungen aus der aktuellen Corona-Pandemie hinzuzieht.
Hirnschmals und systematisches Verständnis
In dem Corona-Lockdown hätte er festgestellt, wie wichtig webbasierte Kommunikation über Videokonferenzen und kollaborative Kommunikationstools gewesen seien. Zum Teil sei dies eine vollwertige Alternative gewesen, um Geschäfte zu führen, im Team zu arbeiten, demokratische Entscheidungen zu finden oder Jugendliche zu unterrichten. Das Web sei nutzungsoffen genug, um allgemein akzeptierte Lösungen dafür zu finden. Tiefe, Nachhaltigkeit und Qualität setzen sich für ihn schon immer durch. Und so ist es auch mit der Zukunft von SelfHTML: „Richtige Antworten auf Fragen gibt es sofort und umsonst, aber systematisches Verständnis gibt es erst nach gewisser Zeit und nur gegen Hirnschmalz.“ – Eine schöne Quintessenz!
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