Die Europäische Kommission hat viel Zeit, um sich neue Gesetze zu überlegen. Nun hat sie ein neuartiges Regelwerk zum „Schutz des Medienpluralismus“ in der EU verabschiedet, das in Kürze vom Parlament und den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden soll. Die vorgeschlagene Verordnung enthält unter anderem Schutzmaßnahmen gegen politische Einmischung in redaktionelle Entscheidungen und gegen Überwachung. Ein weiterer großer Schwerpunkt, wie sollte es anders sein, wird auf die Unabhängigkeit und „stabile“ Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien sowie auf die Transparenz der Eigentumsverhältnisse und der Zuweisung staatlicher Werbung gelegt.
Politische Parteien dürfen weiterhin mitmischen
Dass die politischen Parteien in den Aufsichts- und Verwaltungsgremien sitzen, wird allerdings nicht reguliert. Ein Skandal. Ferner dürfen Parteien auch weiterhin Anteile an Medien halten. Silvio Berlusconi und Olaf Scholz werden es danken. In Deutschland ist zum Beispiel die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg) eine Medienbeteiligungsgesellschaft der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und zu 100 % im Eigentum der SPD. Die ddvg nimmt laut Wikipedia sogar Rang 11 der führenden Verlagsgruppen im deutschen Zeitungsmarkt nach Gesamtauflagen ein. Aber auch im Onlinebereich spielt die SPD mit. Stolze 74 % hält sie an dem Onlinemagazin utopia.de. Das aber nur am Rande. Berlusconis Holding Fininvest ist an zahlreichen Medienunternehmen in Italien UND Deutschland beteiligt.
Staatlichen Druck auf Medien verhindern
Dass nun auch explizit Maßnahmen zum Schutz der Unabhängigkeit der Redakteure festlegt, ist gut, aber längst in anderen Gesetzen geregelt. Doch in einigen EU-Ländern reich der gesetzliche Rahmen wohl nicht aus, um den Druck auf die Medien zu verhindern und ihn vor staatlicher Überwachung zu schützen. Das neue europäische Medienfreiheitsgesetz will diese Lücken schließen und Garantien bieten, dass europäische Medien ohne Einmischung arbeiten können.
Schutz der redaktionellen Unabhängigkeit
Die Verordnung verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die effektive redaktionelle Freiheit der Mediendienstleister zu respektieren und den Schutz journalistischer Quellen zu verbessern. So wird in dem „Media Freedom Act“ eine strenge Schutzmaßnahme gegen die Verwendung von Spyware gegen Medien, Journalisten und ihre Familien geregelt. Mediendiensteanbieter müssen ihre Eigentümer offenlegen und Maßnahmen ergreifen, um die Unabhängigkeit einzelner redaktioneller Entscheidungen zu gewährleisten. Dazu soll ein neuer „unabhängiger“ Europäischen Ausschuss für Mediendienste eingerichtet werden, der sich aus den nationalen Medienbehörden zusammensetzt.
Das eigentliche Problem wird nicht gelöst
Wieder einmal bauen die politischen Parteien ihren Einfluss auf Medien aus, statt sie ein für alle Mal zu kappen. Parteien und Politikern muss verboten werden, sich an Medien zu beteiligen und in Aufsichtsgremien zu engagieren. Gerade die Finanzierung des Staates seiner Staatsmedien zeigt die Dekadenz: Aufgeblähte Verwaltung, üppige Spesen und Dienstwagenregelungen, Vetternwirtschaft, großzügige Intendantenbezüge, horrende Pensionszusagen … Eigentlich Gründe genug, statt einer „stabilen“ Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien zu beschließen, über eine Reform und eine Verschlankung dieser nachzudenken. Parteien und ihre Vertreter haben nichts, aber überhaupt nichts in Medien verloren, weder als Inhaberin noch als Überwacherin.
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